Klimaneutralität - ohne Carbon Offsets überhaupt realistisch?

26. Juni 2020

Die aktuellen spezifischen CO2-Emissionen zur Stromproduktion in Europa lassen zumindest die wage Vermutung zu, dass dies eine enorme Herausforderung wird.

Electricity Map Europa

Die nachhaltige Strom- und Wärmebereitstellung ist im Vergleich zur nachhaltigen Versorgung der Industrie mit Energie (vergl. Stahl- und Zementindustrie) noch wesentlich einfach zu erreichen. Dadurch wird schnell klar, dass man um die Generierung von Carbon Offsets auch bis 2050 nicht herumkommen wird, wenn man die gesteckten Ziele auch erreichen will. Das Thema kann somit nicht bis 2050 warten, die Möglichkeiten müssen schon heute ermittelt werden.

Nur wie kommen diese Offsets zustande, wie verlässlich sind sie und wer bietet diese schon an?
Neben einer Vielzahl von Möglichkeiten werden aktuell sechs Wege aufgezeigt, welche Offsets in relevantem Ausmaß anbieten können. Jede verfolgt dabei das Ziel, das CO2 aus der Atmosphäre entweder direkt oder indirekt einzufangen und dann möglichst lange und sicher zu speichern.

Carbon dioxide removal options | Quelle: MCC

Die bekannteste und einfachste Methode ist die Aufforstung, welche bereits in großem Stil, vor allem in Afrika vollzogen wird. Die große Unsicherheit dabei: Bleibt der Wald auch wirklich lange genug bestehen? Wenn wir aktuell nach Brasilien schauen, kann die Antwort nicht mit Sicherheit positiv beantwortet werden, denn es birgt enorme Risiken. Trotzdem ist dies die schnellste, einfachste und günstigste Variante und sollte jedenfalls mit Nachdruck verfolgt werden. Offsets daraus sind jedoch risikobehaftet.


Eine leicht abgeänderte Variante ist die Düngung der Ozeane. Diese ist jedoch aufgrund ihrer Rückkoppelungseffekte sehr kritisch und unsicher zu bewerten. Zudem sieht man jetzt schon, was zu viel CO2 im Meer mit Korallenriffen anstellen kann.

Bioenergy with Carbon Capture and Storage, kurz BECCS genannt, folgt der technischen Lösung, Kohlekraftwerke durch Abscheidung des Kohlenstoffdioxids aus dem Abgas CO2-neutral zu machen. Setzt man statt Kohle dabei klimaneutrale Biomasse ein, speichert man fortwährend CO2. Der technische und energetische Aufwand dafür ist allerdings sehr hoch und die „Lagerstätte“ für das CO2 ungewiss. Offsets daraus sind zwar leicht berechenbar, aber über Jahrhunderte schwer abgesichert zu halten. Was passiert, wenn die Lagerstätten „Löcher“ bekommen?


Die Enhanced Weathering-Variante (beschleunigte Verwitterung) hingegen würde aus Kohlendioxid stabiles Gestein formen (vergl. Kalkstein = CaCO3) und damit CO2 langfristig und sicher aus der Atmosphäre abziehen. Da es dafür aber chemische Bindemittel braucht, ist dieser Weg auf der einen Seite sehr aufwendig und teuer, jedoch auf der anderen Seite besonders sicher – in diesem Fall sogar ROCK SOLID.


Ähnlich, aber ohne Verbrauch des Bindemittels erlauben Direct Air Capture-Methoden das direkte Einfangen von CO2 aus der Atmosphäre mittels sehr großer Absorber mit Gebläse. Diese werden zyklisch mit Kohlendioxid beladen und geben dieses dann in konzentrierter Form wieder ab. Die Speicherung ist dennoch ähnlich unsicher zu bewerten wie bei der BECCS-Technologie. Zudem benötigt diese Variante eine beträchtliche Menge an zusätzlicher Energie.


Die sechste Variante ist technisch gesehen eine Kombination aus den vorhergehenden und daher etwas Besonderes. BioChar besteht praktisch aus durch Pflanzen aus der Atmosphäre gefiltertem CO2 und ist damit eigentlich der Inbegriff von carbon capture bzw. carbon offset. Während Pflanzen normalerweise verrotten und dabei das gebundene CO2 wieder freisetzen, bleibt in verkohlter Biomasse ein wesentlicher Anteil davon gebunden. Verwendet man diese Holzkohle dann, um in Böden mit geringer Beimengung im Prozentbereich die Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen, bleibt der Kohlenstoff auf sinnvolle Weise dauerhaft im Boden gespeichert. Das heißt, BioChar richtig erzeugt und klug angewandt ermöglich die Generierung von carbon offsets im großen Stil und das mit einem Nutzen und ganz ohne Risiko. Die im Boden beigemengte Kohle baut sich nicht ab, sondern bleibt über ganze Jahrtausende gespeichert.

Plattformen, die heute schon Carbon Offsets anbieten, wie carbonfuture.earth oder puro.earth, zeigen die aktuelle Entwicklung auf. Sowohl die Nachfrage als auch die Preise für „harte“ Carbon Offsets sind beträchtlich. Ein genaues Hinschauen, was hinter einem CO2-Zertifikat oder Carbon Offset steckt, lohnt sich aber allemal. Schließlich will man kein Carbon Offset erwerben, das sich dann im wahrsten Sinne des Wortes in Luft auflöst.